Hand-Bestäubung von Asclepiadaceen – Möglichkeiten und Probleme

Erschienen im 10. Info-Brief der IG Ascleps S. 18-20 (2003)

Friederike Hübner

Ascleps sind interessante und skurile Pflanzen, für mich sind sie zudem schön. Sie haben jedoch im Gegensatz zu den Kakteen meines Mannes den Nachteil, dass man nicht einfach mit dem Pinselchen gezielt für artreinen (und am Besten noch vom gleichen Wuchsort stammend) Samen sorgen kann. Ein Ziel von Liebhabern sollte daher auch sein, die Arten in den Sammlungen durch Ableger und Samen aus den Sammlungen zu erhalten – doch leider fehlen in unseren Breiten die entsprechenden Bestäuber.

Daher habe ich im Frühjahr 2002 damit begonnen, unter Zuhilfenahme eines Binokulars (16- bis 32-fach) den Aufbau der verschiedenen Asclepsblüten, die „Ernte“ der Pollinarien und die Bestäubung per Hand für mich zu entwickeln. Die ersten Versuche mit Pinzette und diversen Schlaufen schlugen fehl. Pinzetten sind meist zu groß für die kleinen Einhängeschienen, Schlaufen und Klemmen erfordern für meine Begriffe zu viel Geduld vom menschlichen Bestäuber und auch ein guter Rotwein konnte an meiner Ungeduld nichts ändern. Also blieb nur das Festkleben des Translators an eine Nadel. Dies funktioniert wider Erwarten gut, sofern der Klebstoff nicht die Pollinarien benetzt. Meist kann jedes angeklebte Pollinarium sogar zweimal verwendet werden, da nach Einfädeln und Durchziehen in der Leitschiene bei richtigem Sitz das eingehängte Pollinium an einer Sollbruchstelle direkt am Polliniumkörper abreißt.

Wichtig bei Bestäubungsversuchen ist jedoch, dass Asclepsgattungen häufig eine schlechte bis gar keine Samenbildung mit dem eigenen Pollen haben. Sie sind selbstinkompatibel. Alle meine „Selbstelungen“ schlugen fehl bis auf eine an Stapelia longipedicellata. Diese bildete bei drei Bestäubungen 1 Doppelhörnchen aus und die Samen konnten geerntet werden. Bisher keimen die sukzessive ausgesäten Samen jedoch nicht. Möglicherweise sind sie nur sehr beschränkt keimfähig.

Tabelle 1. Zusammenstellung der bisherigen Bestäubungsversuche (Insg. 1 Jahr).

Gattungen

Versuche

Erfolge

Selbsteln

Caralluma

8

0

7

Ceropegia

4

0

0

Hoodia

13

4

2

Huernia

23

10

6

Larryleachia

12

3

0

Orbea

3

3

0

Piaranthus

5

3

0

Stapelia

15

7

6

Gesamt

83

30

21

Eine Übersicht über die Versuche und ihre Erfolge (vom bitteren Anfang bis heute) gibt Tabelle 1. Es wurden insgesamt 26 Arten aus 8 Gattungen bestäubt.

Die Gattungen im Hinblick auf Bestäubung

Die einfachsten Blüten hat die Gattung Huernia. Hier ist der Blütenbau sehr übersichtlich, die Einhängeschienen groß, ebenso die Pollinarien. Allerdings muss meist die Hälfte der Kronen entfernt werden – am geschicktesten mit einer Rasierklinge.

Stapelia hat zwar relativ große Blüten, die Leitschiene ist jedoch in den trichterförmigen Strukturen der Nebenkrone versteckt. Zudem befindet sich am Trichtergrund häufig Nektar oder eine Nektarähnliche Substanz, die das Einhängen erschwert.

Gleiches gilt für Caralluma. Hier konnte ich viel üben, habe jedoch nur selten zwei Klone einer Art – und diese blühten nie gemeinsam. Derzeit ziehe ich gezielt Caralluma socotrana heran und hoffe, dass zwei gepfropfte Sämlinge diesen Sommer gemeinsam blühen werden.

Die Bestäubung von Hoodia setzt eine ruhige Hand und ein gutes Binokular voraus. Doch hier lohnt sich der Aufwand sicherlich, da entsprechendes Samenmaterial und auch die Pflanzen nicht häufig angeboten werden. Bisher konnte ich Hoodia officinalis und H. pedicellata bestäuben.

Larryleachia ist sehr klein und entsprechend schwierig in den Griff zu bekommen. Hier ist besonders der Winkel ausschlaggebend, den das einzuhängende Pollinium mit der Leitschiene bilden muss. Stimmt der Winkel, so gelingt das Einhängen schnell. Leider starben jedoch einige bestäubte Blüten nach 4-8 Wochen ab, eine Pflanze mit zwei Samenansätzen bekam eine Infektion und verfaulte innerhalb von zwei Tagen. Dies schmälerte der Erfolgsrate beträchtlich.

Orbea und Piaranthus sind beide vom Blütenbau wieder recht übersichtliche Gattungen, bei denen das Bestäuben gut funktionierte.

Ceropegia und Brachystelma sind jedoch die problematischsten Gattungen, da die Arten alle sehr kleine Gynostegien und noch kleinere Pollinarien aufweisen. Die Pollinien sind fast kugelig. Ein winziges Dreieck muss in die Leitschiene eingefädelt werden. Doch dies gelingt kaum, da der kugelige Bau der Pollinien die Sicht verdeckt.

Besonderheiten der Ascleps-Handbestäubung

Jede Gattung erfordert eine andere Winkelstellung von Pollinium zu Leitschiene. Dies gilt sowohl für den Winkel aus der senkrechten Sicht von oben, als auch aus der seitlichen Sicht heraus.

Ein Einhängen ist noch lange kein Erfolg. Erst wenn der Translator abreißt, sitzt das Pollinium richtig in der Schiene.

Auch eine richtiges Einhängen ist noch keine Garantie für einen sichtbaren Erfolg. Die Pflanzen neigen bei Einstellen des Wachstums dazu, noch nicht entwickelte „Früchte“ – es handelt sich um leicht verdickte, beharrlich an der Pflanze verbleibende Blütenstiele - zurückzubilden. Dies war besonders bei den Bestäubungen ab August zu beobachten. Die wenigen geglückten Bestäubungen des Frühjahrs trieben schnell aus und bildeten Früchte. Stapelia divaricata, Stapelia longipedicellata und Hoodia pedicellata sind hier zu nennen.

Die Vermeidung des Selbstelns durch Bestäubung zweier Klone führt zu deutlich höheren Erfolgsraten. Wenn möglich sollte Material gleicher Standortsherkunft verwendet werden.

Je länger die Phase zwischen Bestäubung und erneuter Wachstumsphase ist, desto mehr Fruchtansätze gehen verloren.

Dennoch trieben in den letzten beiden Wochen Orbea variegata, Huernia laevis, Huernia keniensis var. keniensis, Stapelia gettleffii und Larryleachia cactiforme ihre Fruchthörnchen aus den verdickten Blütenstängeln. Nur Piaranthus framesii, Larryleachia marlothii, Hoodia pedicellata und Hoodia officinalis lassen noch auf sich warten. Diese Pflanzen zeigen jedoch auch noch kein deutliches Wachstumszeichen und haben ihre Ruhe noch nicht beendet.

Spontane Fruchtbildung

Auch in letzten Herbst zeigten sich wieder spontane, nicht von mir bestäubte Fruchtansätze. Es waren Früchte von Ceropegia africana, Ceropegia woodii, Ceropegia stapeliiformis subsp. stapeliiformis und Ceropegia stapeliiformis subsp. serpentina, die sich gegenseitig bestäubt haben könnten und Stapelia gigantea. Kontrollen der Ceropegiablüten zeigten jedoch einen weit höheren Anteil an eingehängten Pollinien. Möglicherweise spielt auch hier die Selbstinkompatibilität eine große Rolle.